Ein paar Tage Ennerweh

Städtereisen sind ja irgendwie im Trend und da liegt es ja nahe, sich einmal in der Kulturhauptstadt 2010, dem Ruhrgebiet, umzuschauen. Dabei kann man viele Eindrücke sammeln.

Paderborn

Der erste Halt auf der Reise nach Westen ist Paderborn, eine Stadt über die ich mich ja ganz gern mal redensartlich lustig mache, wenn es um sehr große Kleinstädte (145.000 Einwohner) geht. Nun konnte ich es endlich mal kennenlernen. Am Eingang der Fußgängerzone begrüßt einen ein überaus hübscher Brunnen im verbreiteten Stil des kleinstadtwestfälischen Neobrutalismus aus übereinander geschichteten Betonplatten. In der Altstadt selbst gibt es dann sehr wenig Altes, wobei das Rathaus und das Jesuitenkloster durchaus nett anzusehen sind. Ein komisches Gebäude ist das Dioezesanmuseum im modischen Zinkblech-Look (Bild). Im Ratskeller kann man sehr gut speisen, während im Bereich der Fußgängerzone sonst nur sehr wenige Kneipen vorhanden sind. Häufiger gibt es da Läden, die Priesterkleidung verkaufen – etwas, das ich nun noch nicht kannte. Die Leute sahen aber alle etwas bieder aus.

Essen

In Essen ist unser Hotel. Schwierig ist dort schon die Anfahrt über die vielen Straßen, die im Stadtplan nur ein Knäuel bilden. Danach geht es eine Runde durch die Innenstadt. Am Bahnhof wird noch ein bisschen gebaut, hier kam das Kulturstadtjahr anscheinend etwas überraschend. Interessant ist der erhaltene Teil der Innenstadt mit Bauten aus der Zeit zwischen 1910 und 1940. Hier war in Essen der „Völkerschlachtdenkmal-Stil“ sehr populär, wuchtig, Götterdämmerung, Steine. Dazwischen steht relativ banale Nachkriegsarchitektur mit besonders eckigen Fenstern und geraden Fassaden. Etwas eigenartig ist, dass in Essen innerhalb der Innenstadt einige Gebäude brach liegen, beispielsweise ein verfallenes Parkhaus, keine drei Minuten von der Fußgängerzone entfernt. Auf der anderen Seite wurde mit dem Limbecker Platz ein neues, riesiges Shopping-Center aus dem Boden gestampft, das durchaus nett gestaltet ist. Insgesamt ist Essen aber noch nicht so richtig bereit für die Kulturhauptstadt, so ist der Bahnhof noch eine Baustelle, die Touristen-Information hat Sonntags ganz zu und Samstags auch nur Vormittags geöffnet und am Bahnhof hängt nirgendwo ein Tarifzonenplan am Fahrkartenautomat, sodass man nicht weiß, welche Fahrkarte man nun für eine Fahrt in Essen oder eine Fahrt rüber nach Gelsenkirchen kaufen soll. Im Automaten gibt es da nur Preisstufen, man kann A2 kaufen, oder D oder B oder C. Wohin es damit geht, wird aber nirgends schnell erläutert. Auch ist es unmöglich am Bahnhof einen Liniennetzplan für die Stadt Essen zu bekommen, sodass man es schwer hat, als Tourist den ÖPNV zu nutzen. Der ist aber ohnehin nicht besonders gut ausgebaut. Der normale Ruhrbewohner neigt dann doch zum Benutzen des eigenen Autos und stellt sich jeden Tag zweimal auf der A40 an.

Düsseldorf

Am nächsten Tag ging es nach Düsseldorf, was im Vergleich zu den Städten an der Ruhr schon sowas wie eine richtige Stadt ist. Auch hier gibt es allerdings ein deutliches Beschilderungsdefizit zwischen Bahnhof und Innenstadt. Die Innenstadt selbst ist aber doch recht hübsch, hier lebt „die Bundesrepublik“ noch fort. Es gibt Damen im Pelzmantel, jede Menge dicke Autos und Läden, die unnützes Zeug verkaufen. Abends ging es dann auf der Bolkerstraße in eine der typischen Altkneipen, das ist schon sehr schön dort. Es gibt Bier und dazu Sauerbraten, bei dem noch ein Schälchen Apfelmus dabei ist, was den Thüringer schon wieder vor eine Herausforderung der Art „Wo schmier ich mir das denn hin?“ stellt. Aufs Fleisch? An den Kloß? Naja, wir essen es einfach danach als Nachtisch. Ob das für den Einheimischen genauso doof aussieht, wie für uns, wenn jemand das Schälchen Rotkraut zur Roulade als Nachtisch essen würde? Wir werden es wohl nie erfahren. Auf der Rückfahrt nehmen wir die S-Bahn, die auch die schönen Vororte im Essener Süden anfährt. Neben uns setzen sich zwei Omis im Pelzmantel und beginnen ein Gespräch. Es stellt sich heraus, dass sie beide im Golfclub sind. Anschließend erfährt man, was so die Probleme ihrer Lebenswelt sind. Jaja, Südfrankreich ist schon teuer geworden, 120 Euro für eine Stunde Golfen. Das ist ja schon viel Geld. Schönere Plätze, die billiger sind, gibt es aber z.B. auf Djerba, aber da ist das Gras im Sommer immer so schlecht. Auch in Portugal geht es gut. In Essen hat man immer so viele, die dann ihr Handicap gar nicht spielen. Sie spielt es, aber die anderen spielen es immer nicht. Was kann das Leben hart sein. Und hast du das gehört, dass die Fenster an den Kreuzfahrtschiffen nicht sicher sind? Herjeh. Da kann man sich gar nicht mehr sicher fühlen. Das ist irgendwie auch etwas Prägendes an Rhein und Ruhr, diese himmelschreienden Unterschiede zwischen der Oberklasse und der Unterklasse, etwas, das man sonst so ja auch nicht kennt. Millionäre, die ihren Reichtum extensiv zur Schau stellen und demgegenüber ein Heer armer und niedrig qualifizierter Ausländer, die alle Jobs machen, für die sich niemand „ohne Migrationshintergrund“ findet. Kellner, Zimmermädchen, Verkäufer etc. etc.

[Fortsetzung folgt]

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